Wir haben erlebt, dass Macht
von Recht getrennt wurde, dass Macht gegen Recht stand, das Recht zertreten hat
und dass der Staat zum Instrument der Rechtszerstörung wurde – zu einer sehr
gut organisierten Räuberbande, die die ganze Welt bedrohen und an den Rand des
Abgrunds treiben konnte. Dem Recht zu dienen und der Herrschaft des Unrechts zu
wehren ist und bleibt die grundlegende Aufgabe des Politikers. In einer
historischen Stunde, in der dem Menschen Macht zugefallen ist, die bisher nicht
vorstellbar war, wird diese Aufgabe besonders dringlich. Der Mensch kann die
Welt zerstören. Er kann sich selbst manipulieren. Er kann sozusagen Menschen
machen und Menschen vom Menschsein ausschliessen. Wie erkennen wir, was Recht
ist? Wie können wir zwischen Gut und Böse, zwischen wahrem Recht und
Scheinrecht unterscheiden? Die salomonische Bitte bleibt die entscheidende
Frage, vor der der Politiker und die Politik auch heute stehen.
(Ausschnitt aus der Ansprache
von PAPST BENEDIKT XVI.
im Berliner Reichstagsgebäude
am 22. September 2011)